Im Sturm der Echos

Autorin: Christelle Dabos

Die Welt ist nicht mehr dieselbe.

Nicht, weil sie sich verändert hat –
sondern weil Ophelia nun sieht, was immer darunter verborgen lag.

Nach all den Gängen durch Spiegel, durch Lügen, durch Türme und Archive, stehen Ophelia und Thorn endlich Seite an Seite.
Nicht wie zwei Verliebte in einem Märchen – sondern wie zwei Überlebende in einer Welt, die sie zerschlagen wollte.

Doch ihre Wiedervereinigung ist keine Rückkehr zum Gewohnten.
Sie ist der Beginn einer Reise zum Ursprung der Welt selbst.


Der Himmel flackert.
Die Luft zittert.
Die Realitäten entgleiten.
Etwas bricht auf. Etwas erwacht.

Und dieses Etwas ist Gott.
Aber nicht der Gott, wie wir ihn aus alten Geschichten kennen.
Sondern ein Experiment, eine abgespaltene Idee, ein Fragment, das einst alles erschaffen hat –
und nun beginnt, es zu verschlingen.

Orte verschwinden.
Menschen existieren nur noch als Schatten ihrer Erinnerung.
Die Welt scheint sich selbst zu vergessen.


Ophelia und Thorn reisen durch die Reste dieser zerbröckelnden Welt –
durch verlassene Orte, verlorene Echos, alte Geheimnisse.
Sie tauchen hinab in die Archive der Archive.
Nicht nur in Daten – sondern in Geschichten, in Lügen, in Erinnerungen, die nie hätten aufgedeckt werden sollen.

Der „Sturm der Echos“ ist kein Wetter.
Es ist ein metaphysisches Beben.
Ein Aufschrei der Welt, die nicht mehr weiß, wer sie ist.
Und in diesem Sturm beginnt Ophelia zu begreifen:

Sie ist nicht nur Leserin.
Nicht nur Spiegelgängerin.
Nicht nur Verlobte.
Sie ist diejenige, die sich erinnert.

Und vielleicht ist Erinnerung die größte Macht von allen.


Inmitten dieses Chaos wächst etwas zwischen ihr und Thorn, das keine Namen braucht.
Keine Küsse, keine Gesten, kein Drama.
Es ist schlicht.
Tief.
Unverhandelbar.
Zwei Seelen, die sich nicht gesucht, aber erkannt haben.
Nicht trotz der Narben – sondern wegen ihnen.


Das Ende ist kein Sieg.
Es ist ein stilles Opfer.
Eine Umkehrung.
Ein Wiederbeginn.

Ein Akt der Gnade in einer Welt, die keine kannte.
Ein Entschluss: Dass man sich nicht auslöschen lassen muss, nur weil andere einen vergessen wollen.
Dass das, was du in dir trägst – Namen, Erinnerungen, Liebe –
weiterlebt, wenn du es bewahrst.


Im Sturm der Echos ist ein leises Finale.
Es schreit nicht.
Es weint nicht.
Aber es hallt nach –
wie ein Echo, das nie ganz verklingt.


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